Was der Debatte um die Schuldenbremse fehlt

Dieser Beitrag ist am 23. 8.2024 auf telepolis.de fast wortgleich erschienen.

Das Gezerre um den Bundeshaushalt 2025 nimmt kein Ende. Die FDP hat sich der Einhaltung der Schuldenbremse als ihrem Markenkern auf Biegen und Brechen verschrieben, auch in Hinblick auf die anstehenden Landtagswahlen. Weil alle drei Koalitionäre vorgezogene Neuwahlen im Bund fürchten, haben es SPD und Grüne aufgegeben, eine Reform oder gar Abschaffung der Schuldenbremse in dieser Legislaturperiode anzustreben. Stattdessen tragen sie ihre Streitigkeiten um die öffentlichen Finanzen mit den Liberalen fast täglich über die Medien aus. Letztere füllen ihr Sommerloch bereitwillig mit diesem Dauerthema und diskutieren mit und ohne Fachleute eifrig, welche einzelnen Haushaltsposten unabweisbar sind und welche weniger Priorität verdienen in den konjunkturell schlechten Zeiten.

Was der Debatte praktisch vollständig fehlt, ist eine angemessene gesamtwirtschaftliche Perspektive.

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Ideologie schlägt Vernunft – eine neue Runde in der Debatte um Schuldenbremse und Fiskalregeln ist eröffnet

Glaubt man den Meldungen einiger deutscher Medien, sieht sich die Europäische Währungsunion (EWU) einer neuen Bedrohung gegenüber, die ähnliche Gefahren mit sich bringen könnte wie die Eurokrise von vor über zehn Jahren, deren Ursprung allgemein in Griechenland verortet wurde. Auslöser der aktuellen Vermutungen sind neue Zahlen, die zeigen, dass es Frankreich als zweitgrößtes Land der EWU mit erheblich höheren Staatsschulden zu tun hat, als allgemein erwartet wurde.

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Christian Lindner verteidigt die Schuldenbremse auf Kosten der Gesamtwirtschaft

Dieser Beitrag ist am 7.11.2023 auf telepolis.de erschienen.

In einem Gastbeitrag für den Spiegel verteidigt Bundesfinanzminister Christian Lindner die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse, die es dem deutschen Staat weitgehend verbietet, neue Schulden aufzunehmen, sofern keine außergewöhnliche Notsituation oder Naturkatastrophe vorliegt. Bei seiner Argumentation vernachlässigt der Bundesfinanzminister die gegenseitige konjunkturelle Abhängigkeit der vier volkswirtschaftlichen Sektoren.

Das beruht vermutlich auf der Auffassung, dass Konjunktur und langfristige Entwicklung einer Volkswirtschaft nicht viel miteinander zu tun hätten. Diese Fehleinschätzung teilt Christian Lindner mit vielen Makroökonomen. Sie führt zu einer systematisch schlechteren Wirtschaftspolitik.

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Deutschland auf Überschuss-Entzug

Dieser Artikel ist in leicht geänderter Fassung am 10.09.2023 auf telepolis.de erschienen.

Vielfach werden derzeit die ökonomischen Folgen zunehmender geopolitischer Spannungen diskutiert, so etwa in der Rede der EZB-Präsidentin Christine Lagarde in Jackson Hole, in Berichten über das Treffen der wichtigsten Zentralbankchefs dort oder auch in Kommentaren zum jüngsten Treffen der BRICS-Staaten. Dabei schwankt das Pendel zwischen Warnungen vor Wohlstandsverlusten durch Protektionismus einerseits und Überlegungen andererseits, sich aus Abhängigkeiten internationaler (Zu-)Lieferketten zu befreien (Stichwort „de-risking“, „reshoring“ usw.). Wo steht die deutsche Politik in dieser Debatte? Und was hat die aktuelle Rezession in Deutschland damit zu tun?

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Was ich noch sagen wollte – Anmerkungen zum 23. Karlsruher Verfassungsgespräch

Am 22. Mai 2023 ging es beim 23. Karlsruher Verfassungsgespräch im Bundesverfassungsgericht um das Thema „Gute Schulden, schlechte Schulden – wie sinnvoll ist die schwarze Null?“. Als Titel hätte man ebenso gut „Gutes Sparen, schlechtes Sparen – wie sinnvoll ist die schwarze Null?“ wählen können. Eine solche Schlagzeile wäre aber dem Publikum fremd gewesen, weil kaum je darauf hingewiesen wird, dass in einer monetären Welt jeder Verschuldung, übrigens auch jeder staatlichen Verschuldung, eine exakt gleich große Ersparnis gegenübersteht. Hier liegt der Schlüssel für die Antwort auf die vom Moderator als „einfach“ bezeichnete und am Ende gestellte Frage, wie hoch die Grenze für Staatsschulden denn auf Dauer sein dürfe oder müsse: so hoch, wie die Summe der privaten Ersparnisse. Wobei, um Missverständnisse zu vermeiden, „private Ersparnisse“ die Ersparnisse der privaten Haushalte zuzüglich der Ersparnisse der Unternehmen sind.

Leider war es in der Veranstaltung, so mein Eindruck, unmöglich, diese „einfache“ Antwort verständlich zu machen, weil sie eine gesamtwirtschaftliche Perspektive erfordert, die in unserem Land weder unter Fachleuten, noch in den Medien und infolgedessen auch nicht in der interessierten Öffentlichkeit wahrnehmbar vertreten wird. Ich möchte deshalb versuchen, jenseits ökonomischer Theorien, Parteibücher, Posten und persönlicher Eitelkeiten für mehr Rationalität bei diesem Thema zu werben. Denn ich bin der Meinung, dass wir ohne ein klareres Verständnis, welche fatalen Folgen die Schuldenbremse in unserem Grundgesetz in Kombination mit den europäischen Fiskalregeln nach sich zieht, weiter in eine wirtschaftspolitische Entwicklung hineinstolpern, die das Zeug dazu hat, die politische Radikalisierung in Europa zu beschleunigen.

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Osteuropa und Russland – Das ökonomische Desaster, das wir angerichtet haben, wird vergessen – Teil 3

Sucht man eine Bestätigung dafür, wie wichtig und richtig unsere Kritik an den westlichen Institutionen ist, die sich seit dem Fall der Mauer mit der wirtschaftlichen Lage in Osteuropa und Russland beschäftigen, muss man nur nach Brüssel schauen. So sagte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, am 7.3. im Deutschlandfunk:

„Wir dürfen nicht vergessen, wir haben ja schon eine sehr positive Entwicklung gehabt vorher in einer ganz engen Zusammenarbeit mit der Ukraine, z.B. die ganzen Schritte die beiden Märkte, der europäische Binnenmarkt, aber auch die ukrainische Wirtschaft, stärker zu integrieren.“

Sie verwechselt, wie das so oft im Westen geschieht, eine für westliche Exporteure vorteilhafte Entwicklung mit einer positiven Entwicklung des Landes, das die Exporte aufnimmt. „Integration“ bedeutet in den meisten Fällen eine wirtschaftliche Bedrohung für die zu integrierenden Länder, weil man im Westen nicht bereit ist, das zu tun, was wirklich notwendig wäre, um diesen Ländern eine stabile und in deren Sinne erfolgreiche eigene Entwicklung zu ermöglichen. 

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Robert Habecks erster Jahreswirtschaftsbericht: Manipulation ist noch keine Wirtschaftspolitik

Manchmal bringt die 13 doch Unglück. Jedenfalls ist für Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, das Schaubild 13 auf Seite 109 im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung für 2022, den er gerade der Presse präsentiert hat, gelinde gesagt, kein Glücksgriff. Es zeigt in kaum zu übersehender Weise, dass der BMWK, wie er sich selbst nennt, zwar das Klima zu seinem großen Thema macht, bei der Wirtschaft aber unverkennbar auf den wackligen Holzwegen seiner Vorgänger wandelt. Was der BMWK (noch) nicht begreift: Wer Wirtschaft nicht beherrscht, wird auch beim Klimaschutz scheitern.

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Robert Habeck’s first annual economic report: Manipulation is not yet economic policy

Sometimes 13 does bring bad luck. At any rate, for Robert Habeck, Federal Minister for Economic Affairs and Climate Protection, Chart 13 in the Federal Government’s Annual Economic Report for 2022, which he has just presented to the press, is not a stroke of luck, to say the least. It shows that the BMWK, as he calls himself, is making the climate his big issue, but is unmistakably walking on the shaky wooden paths of his predecessors when it comes to the economy. What the BMWK does not (yet) understand: Those who cannot master the economy will also fail in climate protection.

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Wird die deutsche Regierung ihrer Verantwortung für Europa gerecht?

Stellungnahme für die Anhörung im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags am 10. Januar 2022 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Feststellung eines Zweiten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2021 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2021) (BT-Drucksache 20/300)

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