AfD und neoklassischer Mainstream im Wettstreit: Land unter für die Logik

Die FAZ hat ein Streitgespräch zwischen Bernd Lucke, dem Sprecher der Partei „Alternative für Deutschland“, und Dennis Snower, dem Präsidenten des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, über den weiteren Weg der Europäischen Währungsunion (EWU) abgedruckt. Aus Sicht der FAZ scheint das ein lohnender Diskurs zu sein. Denn beide Ökonomen sind sich zwar in der Krisenanalyse einig – mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Südeuropas dank im Verhältnis zur Produktivität zu hoher Löhne –, aber sie vertreten gegensätzliche Standpunkte, wie die Krise zu meistern sei. Der eine möchte, dass die Südeuropäer die EWU verlassen, der andere will möglichst alle EWU-Mitglieder bei der Stange halten und dazu „atmende Fiskalregeln“ einführen.

Aus unserer Sicht ist berichtenswert, worüber sich beide Diskutanten
nicht unterhalten haben und was offenbar auch die Moderatoren der FAZ nicht interessiert: Das ist zum einen die grundsätzliche Frage, welches Verhältnis Löhne und Produktivität denn einnehmen sollten in einer Währungsunion, zum anderen die Frage, welche Folgen die vorgeschlagenen Lösungen
für Deutschland hätten.

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Der Zins, die Schulden und die Geldpolitik – Teil I: Was bedeutet der Zinsschritt der EZB?

Am 2. Mai traf die Europäische Zentralbank (EZB) die Entscheidung, den Leitzins von seinem historisch niedrigen Niveau von 0,75% um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 0,50% zu senken mit dem Ziel, „zur Unterstützung der Aussichten für eine Erholung [der Wirtschaft im Euroraum] im weiteren Verlauf des Jahres beizutragen“ (hier und im folgenden meine Übersetzung des englischen Originaltextes). Das klingt äußerst zurückhaltend, was die Erwartungen an die Wirkung der Zinssenkung auf die Konjunktur angeht, womit die Zentralbanker nur allzu recht haben dürften: Der Effekt der Zinssenkung auf die Sachinvestitionstätigkeit dürfte in der gegenwärtigen Situation gegen Null gehen.

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Lettland, Löhne und die Krise

Vor ein paar Wochen haben wir schon kursorisch über einige Länder berichtet, die unter besonderen Umständen in die Eurozone gekommen sind oder sich um eine Aufnahme bewerben: Slowenien ist seit 2008 Mitglied und steckt derzeit in großen Schwierigkeiten. Estland, das den Euro 2011 einführte, hat die Anpassung innerhalb der EWU scheinbar geschafft und gilt vielen als Musterland in Sachen Anpassung und Flexibilität. Lettland hat seinen festen Wechselkurs zum Euro trotz widriger Umstände verteidigt und verdient daher die Aufnahme in die Europäische Währungsunion EWU, so die herrschende Meinung allen voran in der EU-Kommission. Dass die Kommission in Zeiten, in denen die EWU vor einer Zerreißprobe steht, über jeden Kandidaten froh ist, der durch sein Aufnahmebegehren die Attraktivität dieser Währungsunion zu belegen scheint, ist nur allzu verständlich. Und auch, dass man sich durch die zur Schau gestellte neoliberale Haltung des Kandidaten in seiner eigenen Sicht der Dinge bestätigt fühlt und gerade darum dessen Beitrittswunsch wohlwollend in Erwägung zieht, verwundert nicht. Dass die Kommission aber genau die Entwicklung, die Südeuropa im ersten Jahrzehnt der EWU genommen hat und die heute rückblickend scharf kritisiert wird, geflissentlich übersieht, obwohl sie in Lettland wie in den beiden anderen baltischen Staaten weitgehend parallel, ja sogar noch potenziert auftritt, und dass sie entsprechend keine Warnsignale setzt, das zeugt von ideologischer Verblendung.

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Europa geht anders

Gestern ist zeitgleich in Österreich, Deutschland, Italien und Frankreich www.europa-geht-anders.eu vorgestellt worden. Gehen Sie auf diese Seite und tragen Sie sich ein, um der Aktion gegen eine verfehlte Politik mehr Gewicht zu verleihen. Wir unterstützen diese Aktion und dokumentieren im Folgenden den Text des Aufrufs:

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Talkshow zu „Hungerlohn am Fließband“

Ein Reporter heuert „under cover“ bei einer Leiharbeitsfirma an. Die leiht ihn einer Speditionsfirma aus. Diese Speditionsfirma lässt den Mann im Rahmen eines Werkvertrags bei einem bekannten Autokonzern arbeiten. Dort geht der Mann einer Beschäftigung nach, die identisch ist mit der von Mitarbeitern der Stammbelegschaft des Konzerns, mit denen er Hand in Hand arbeitet. Mit dem Unterschied, dass er nur ein Drittel dessen verdient, was die „Kollegen“ bekommen. Von den so netto erzielten 990 Euro kann er selbst nicht, geschweige denn seine Familie leben, weshalb ihm laut Jobcenter ein staatlicher Zuschuss von mehr als 1500 Euro zusteht.

So weit, so schlecht. In der an den Film des SWR in der ARD (13. Mai 2013 um 20.15 Uhr) anschließenden Talkshow unterhalten sich fünf Gäste mit dem Moderator über diesen Skandal, wobei der Vertreter der Arbeitgeberseite und ein FDP-Mitglied den geschilderten Sachverhalt als missbräuchlichen Einzelfall einstufen und die übrigen Teilnehmer der Runde mit Fragen nach gering bezahlten Werkverträgen in ihren Bereichen (Rundfunk, Kirche, Lehrer in NRW, Gewerkschaften) in die Enge zu treiben versuchen. Der Vorsitzende des Rates der EKD, Nikolaus Schneider, angesprochen auf Stundenlöhne von 5,99 Euro in einem evangelischen Krankenhaus, schildert den Druck, unter dem kirchliche Träger von Sozialeinrichtungen stehen, so: Diesen Einrichtungen diktiere der Markt für Pflegedienstleistungen die Preise und daraus ergebe sich das Dilemma: Man wolle die eigenen Angestellten anständig bezahlen. Aber man müsse, obwohl man nicht einmal gewinnorientiert arbeite, sondern mit einer schwarzen Null zufrieden sei, mit dem Markt mithalten, wenn man nicht als Anbieter pleite gehen und aus dem Markt ausscheiden wolle. Was also tun?

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Sinn über flexible Wechselkurse – Jetzt macht es schon Sinn

Ein Leser weist uns darauf hin, dass Hans-Werner Sinn seine Position gerade radikal ändert. In der FAZ erklärt er: „Während der flexible Wechselkurs jeden Versuch, die Wettbewerbsfähigkeit durch eine Deflation zu stärken, kompensieren würde, wirkt eine Deflation in einer Währungsunion Wunder, wie das irische Beispiel gezeigt hat. Die irische Wirtschaft hat ihr Preisniveau seit 2006 relativ zum Rest der Eurozone um 15 Prozent gesenkt, und es gelang ihr, sich auf diese Weise zu retten.“

Das ist bemerkenswert, hat der gleiche Professor doch vor einigen Jahren mit Verve vertreten, die deutschen Löhne müssten in der Größenordnung von 20 Prozent sinken, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gegenüber den aufstrebenden Schwellenländern wiederherzustellen. Das, wohlgemerkt, waren und sind aber Länder, mit denen wir gerade nicht in einer Währungsunion stecken, sondern die flexible Wechselkurse hatten und haben. Es besteht also Hoffnung, dass das Argument niedriger Lohnstückkosten in Osteuropa, Fernost oder sonst wo auf der Welt (oder noch primitiver: niedriger Löhne irgendwo auf dieser Welt) als tatsächlich unsinnig erkannt und damit ad acta gelegt werden wird, statt dessen aber eine sinnvolle Währungsordnung endlich auch ins Zentrum der deutschen Diskussion rücken könnte. Nebenbei erteilt Hans-Werner Sinn mit dieser Äußerung allen Hoffnungen der deutschen Bundeskanzlerin und der EU-Kommission auf ein Erstarken der Wettbewerbsfähigkeit Europas und damit eines Rettungsankers für die europäische Konjunktur aus dem außereuropäischen Ausland eine klare logische Absage, die wir nur begrüßen können.

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Die FDP stellt Frankreich ein „verheerendes wirtschaftspolitisches Zeugnis aus“ und outet sich als Gegner des Freihandels

Es ist nicht zu fassen. Das deutsche Wirtschaftsministerium, bekanntlich geführt von einem Mediziner, der immer wieder durch vollkommenes wirtschaftliches Unwissen auffällt, stellt, so das Handelsblatt letzte Woche, Frankreich ein verheerendes wirtschaftspolitisches Zeugnis aus. Das ist in der Tat verheerend, aber anders als beim Ministerium gedacht.

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Auftragseingang – etwas besser, aber noch lange nicht gut

Der Auftragseingang in der deutschen Industrie hat im März eine leichte Aufwärtsentwicklung gezeigt. Das passt in das Bild einer noch nicht abstürzenden, aber vor sich hin dümpelnden Konjunktur, das wir hier seit Januar zeichnen. Da auch das Bundeswirtschaftsministerium darauf hinweist, dass es außergewöhnlich viele Großaufträge gegeben hat und die Verteilung der Aufträge nach den einzelnen Sektoren der Industrie sehr ungleichmäßig ist, spricht alles dafür, dass es im April wieder eine Gegenbewegung nach unten gibt.

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Was haben Sklavenarbeit in Bangladesch, Pferdefleischskandal und Ökostrom gemeinsam?

Nein, diese Überschrift ist keine Scherzfrage. Es gibt darauf eine ernst zu nehmende und ernsthaft zu hinterfragende Antwort. Auf allen drei angesprochenen Feldern wird nämlich an die Moral der Verbraucher appelliert. Die Verbraucher im Westen, so jüngst die Chefin des Menschenrechtsausschusses im Europaparlament, die Grünen-Politikerin Barbara Lochbihler, in einem Interview, seien indirekte Täter, wenn sie unter Sklavenarbeit produzierte Kleidung aus Bangladesch kauften. Verbraucher, so häufig der Tenor von Kommentaren zu Lebensmittelskandalen, dürften sich über die minderwertigen Zutaten etwa in einer Fertig-Lasagne aus dem Tiefkühlregal nicht wundern, wenn dieses Gericht nur ein paar Euro koste. Und last but not least werben Ökostromanbieter damit, dass der Verbraucher mit dem im Vergleich zur Konkurrenz höheren Preis für ihren Strom auch ein Stück gutes Umweltgewissen einkaufe.

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Angebotspolitik als Ersatz für Nachfragepolitik? Teil II

Dies ist die Fortsetzung des Beitrags vom 3.5.2013, der sich mit der Frage beschäftigt, ob die Lösung der Eurokrise mit Mitteln der Angebotspolitik möglich ist. Dass eine Nominallohnsenkungsstrategie nicht weiter hilft, sondern krisenverschärfend wirkt, wurde bereits dargelegt. Könnte es aber sein, dass wenigstens die Variante der Angebotspolitik erfolgversprechend ist, bei der eine Produktivitätssteigerung den Ausgangspunkt bildet, die nicht (oder zumindest nicht vollständig) in den Nominallöhnen weitergegeben wird wie im (in Teil I des Beitrags) geschilderten theoretischen Beispiel? Denn dort zieht doch die reale Nachfrage dank Preissenkung mit und findet zugleich eine Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit statt, oder? Wenn das gelänge, hätte man doch den Stein der Weisen gefunden! Dann wäre eine Angebotspolitik, die sich um die Verbesserung der Produktivität bemüht und aufpasst, dass die nicht komplett in den Löhnen landet, wo sie verfrühstückt würde, doch erfolgreich und im Vergleich zum ewigen Schuldenmachen der Nachfragepolitik der Königsweg aus der Krise, nicht wahr?

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