Peer Steinbrück – wirtschaftspolitischer Wolf im sozialen Schafspelz?

Gestern habe ich mich kritisch über die wirtschaftspolitische Kompetenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel, wie sie im Interview des Deutschlandfunks und des Senders Phoenix Mitte August zum Ausdruck kam, geäußert. Ende August wurde der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, im gleichen Programmformat befragt, und ich will mich anhand dieses Interviews mit der Frage beschäftigen, welche wirtschaftspolitischen Perspektiven dieser Kanzlerkandidat zu bieten hat. Dabei interessieren mich in erster Linie seine Aussagen zur Wirtschaftspolitik in Europa, weil ich die wirtschaftliche Entwicklung bei uns und unseren europäischen Nachbarn für absolut vorrangig vor allen anderen Themen halte. Das Thema Eurokrise mag nicht die Aufmerksamkeit der Masse der Wähler auf sich ziehen, die ihm meines Erachtens zukommen müsste. Das hindert mich aber nicht daran, ihm meinerseits einen hohen Stellenwert beizumessen.

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Angela Merkel: „Fragile Wirtschaftslage“ – und fragile Wirtschaftskenntnisse

Das Interview, das Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Deutschlandfunk und dem Fernsehsender Phoenix am 13. August gegeben hat, ist in mancher Hinsicht aufschlussreich. So erfährt der aufmerksame Zuhörer, was die Regierungschefin über die aktuelle Wirtschaftslage jenseits von Wahlkampfreden tatsächlich denkt. Während es auf der Web-Seite der Bundesregierung optimistisch heißt, „Der Monatsbericht August des Bundesfinanzministeriums unterstreicht, dass sich die konjunkturelle Belebung der deutschen Wirtschaft auch im 2. Halbjahr 2013 fortsetzen wird“, antwortet die Bundeskanzlerin, gefragt nach Unterschieden zwischen den Wahlprogrammen der Parteien: „Ich sage z.B., im Augenblick wären Steuererhöhungen jeglicher Art Gift, … weil wir damit die sehr fragile Wirtschaftslage gefährden.“ Es ist gut, dass der Regierungschefin offenbar sehr wohl bewusst ist, wie sehr sich die deutsche Konjunktur auf des Messers Schneide bewegt, auch wenn sie das wohl eher unbeabsichtigt preisgegeben hat und die regierungsamtliche Rhetorik einen anderen Eindruck zu erwecken versucht.

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Stille Post vom IWF über das BMF zum Bürger

„In der alljährlichen Überprüfung der Wirtschafts- und Finanzpolitik seiner Mitgliedstaaten (so genannte Artikel-IV-Konsultationen) attestiert der Internationale Währungsfonds (IWF) Deutschland eine Schlüsselrolle bei der Überwindung der europäischen Staatsschuldenkrise.“, schreibt das Bundesfinanzministerium (BMF) am 6.8.2013 auf seiner Homepage. Das ist sowohl hinsichtlich der vom IWF geäußerten Ansichten als auch unserer Meinung nach inhaltlich vollkommen richtig: Es hängt ganz wesentlich von Deutschland ab, ob und wie die Eurokrise ausgeht. Unter Hinweis auf die Presseerklärung des IWF formuliert das BMF: „Der IWF betrachtet Deutschland als Stabilitätsanker in Europa und verweist auf positive Übertragungseffekte, die für ganz Europa eine stabilisierende Funktion übernehmen.“

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Das Paralleluniversum des Bundeswirtschaftsministeriums

Der Monatsbericht für den Juli 2013 des Bundeswirtschaftsministeriums beschäftigt sich in dem Beitrag „Wirtschaftspolitisch relevante Bewegungen in der deutschen Leistungsbilanz im Jahr 2012“ mit dem auf über 185 Mrd. Euro angestiegenen Leistungsbilanzüberschuss, den Deutschland im vergangenen Jahr erzielt hat. Im Verhältnis zum nominalen Bruttoinlandsprodukt ist der Saldo gegenüber 2011 von 6,2 Prozent auf 7,0 Prozent gestiegen und damit in eine Größenordnung gelangt, die das Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten (Macroeconomic Imbalances Procedure, MIP) in Gang setzt.

Der Beitrag liest sich wie eine Verteidigungsschrift für die Folgen deutscher Wirtschaftspolitik, die Überschüsse als gerechtfertigt einstuft, „wenn sie … das Ergebnis hoher Leistungsfähigkeit von Unternehmen in wettbewerblichen Märkten sind“ (S. 12 ebendort). Das verwundert nicht angesichts der rein merkantilistischen Ausrichtung dieser Politik. Schon die Betitelung des letzten Absatzes des Beitrags mit „Der deutsche Leistungsbilanzsaldo ist ein Marktergebnis“ spricht Bände: Wenn etwas „Marktergebnis“ ist, so die Botschaft, dann ist es per se richtig, nicht zu hinterfragen und schon gar nicht zu ändern. (Ganz abgesehen davon, dass die Hauptursache der Überschüsse, das deutsche Lohndumping, alles andere als ein reines Marktergebnis ist, sondern im Wesentlichen durch die politisch verordnete Agenda 2010 erzwungen wurde, wie wir in vielen Beiträgen gezeigt haben.)

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Seifenblase schillert vor dem Platzen – Zur Konjunktur im Euroraum

Mitte August berauschte sich der deutsche Blätterwald an einer Schnellschätzung von Eurostat, dem Statistikamt der Europäischen Union, zur Konjunktur in Europa. Die +0,3 Prozent, mit der die Wirtschaftsleistung der 17 Staaten der Eurozone im zweiten Quartal saisonbereinigt gegenüber dem ersten Quartal 2013 zugenommen haben soll, markieren nach Auffassung etwa der FAZ und der SZ das Ende der Rezession im gebeutelten Währungsraum. Nach sechs aufeinander folgenden Quartalen des Rückgangs in der EWU, zuletzt -0,3% im ersten Quartal, ziehen die deutsche und die französische Wirtschaft mit einem Plus von 0,7 Prozent bzw. 0,5 Prozent die EWU-Länder aus dem Abwärtsstrudel, so die einhellige Auffassung in der Medienlandschaft.

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Quo vadis, EWU? Teil 5: Das Damoklesschwert Wechselkurs ist leider unentbehrlich

Ausgangspunkt dieser Beitragsserie war die Kritik Rudolf Hickels (die andere teilen) an Überlegungen, die Krise der EWU durch ein Ende des Euro in seiner jetzigen Form zu überwinden. Das Ergebnis der bisherigen Ausführungen lautete, dass ein Währungsverbund, dem mindestens ein „Hartwährungsland“ angehört, gegen Spekulationswirren auf den Devisenmärkten und starke Handelsungleichgewichte helfen kann, wenn er über eine Kombination aus Wechselkurs- und Zinspolitik Inflationsdifferenzen ausgleicht. Um wenig vorhersagbar und damit möglichst nicht spekulationsanfällig zu sein, sollte der Mix, wann welche Instrumente und von welcher Notenbank eingesetzt werden, variieren. Je kleiner und je unsystematischer die Inflationsdifferenzen innerhalb des Verbundes sind, desto stabiler ist er. Denn dann verlocken keine großen und systematischen Zinsdifferenzen zu carry trades, und keine massive Auslandsverschuldung macht Wechselkursanpassungen absehbar und damit zum geeigneten Spekulationsobjekt.

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Quo vadis, EWU? Teil 4: Kooperation als unentbehrliches Mittel gegen Spekulation auf Zinsdifferenzen

Die Notenbank eines Landes mit eigener Währung kann Inflationsdifferenzen gegenüber den Handelspartnerländern durch eine Kombination aus Wechselkurs- und Zinspolitik abzufedern versuchen. Dabei muss sie einen Wechselkurs zu den Währungen der Handelspartner ansteuern, der ungefähr der Kaufkraftparität entspricht. Denn das sorgt auf Dauer für insgesamt hinreichend ausgeglichene Handelsströme und schützt das Land vor Überschuldung im Ausland wie vor Ansammlung großer ausländischer Vermögensbestände (die, wie viele Währungskrisen gezeigt haben, nicht vor Entwertung geschützt wären). Zugleich soll Spekulationen gegen die eigene Währung am Devisenmarkt vorgebeugt werden, indem die Zinsen so festgesetzt werden, dass zu erwartende Wechselkursänderungen durch Zinsdifferenzen ausgeglichen werden (Zinsparität).

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Investitionen in Sachanlagen – die ungenannte Achillesferse der deutschen Wirtschaft

Dass die deutsche Wirtschaft glänzend dasteht, weiß jeder, der den „offiziellen“ Medien Glauben schenkt, und wie gut es den deutschen Unternehmen geht, kann man jeden Tag an steigenden Aktienkursen und Meldungen über Rekordgewinne ablesen. Erstaunlicherweise, wir hatten vor einigen Wochen schon darauf hingewiesen, wird über das, worum es beim Wirtschaften eigentlich geht, nämlich über das Investieren und zwar das Investieren in Sachanlagen fast nicht gesprochen. Wenn aber die überaus zahlreichen Spindoktoren der deutschen Wirtschaft und ihre Helfershelfer in den verschiedensten Instituten und Stiftungen zu einem so wichtigen Thema schweigen, kann das eigentlich nur daran liegen, dass die Investitionstätigkeit der deutschen Unternehmen kein Ruhmesblatt ist und deswegen die sonst so lauten Jubler alle nicht zu hören sind.

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Quo vadis, EWU? Teil 3: Spekulation auf Wechselkurse – Stolperstein für jedes Währungssystem?

Kann ein Währungssystem die Gratwanderung zwischen Inflationsausgleich und Spekulationsanfälligkeit meistern? Das war die Frage, mit der Teil 2 dieser Serie endete und mit der ich mich in diesem Beitrag auseinandersetze.

Spekulation kann immer dann gewinnträchtig betrieben werden, wenn man Preisentwicklungen richtig vorhersieht. Dann kann man sich auf die Marktseite begeben, zu deren Gunsten sich die Preise entwickeln werden, und nach Eintritt der prognostizierten Entwicklung seine Geschäfte gewinnbringend abwickeln. Ein Beispiel: Wer die Steigerung eines Rohstoffpreises richtig voraussieht, kann diesen Rohstoff (oder Wertpapiere, die auf diesen Rohstoff lauten) einkaufen und nach eingetretener Preissteigerung verkaufen. Die Differenz von Einkaufs- und Verkaufspreis ist (abzüglich der Transaktionskosten) sein Spekulationsgewinn. (Das funktioniert auch bei fallenden Preisen, z.B. mittels Leerverkäufen.)

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Wer kurzfristig tot ist, wird auch langfristig nicht leben

Zu unseren Argumenten hinsichtlich der negativen Wirkungen von Lohnkürzungen auf die Arbeitslosigkeit, die wir hier seit langem vertreten, habe ich jetzt wieder das Gegenargument der langen Frist gehört. In einer Podiumsdiskussion sagte einer der Teilnehmer, das könne wohl sein, dass Lohnkürzungen kurzfristig zu höherer Arbeitslosigkeit führten, langfristig könne man aber die positiven Wirkungen erwarten, die das neoklassische Arbeitsmarktmodell verspricht.

Wir hatten am Beispiel Spanien argumentiert, dass der von der spanischen Regierung verfolgte Weg, Lohnkürzungen durchzusetzen, niemals erfolgreich sein könne, weil im Zuge der Lohnkürzungen unmittelbar die Binnennachfrage sinkt und die Unternehmen Arbeitskräfte entlassen. Das lässt sich auch an dem von uns verwendeten Bild ablesen. Nachdem die Arbeitslosigkeit in Spanien wie in den meisten anderen Industrieländern schon im Zuge der schweren globalen Rezession von 2008 und 2009 gestiegen war, ging mit der massiven Lohnkürzung der Jahre danach ein zweiter Schub an Arbeitslosigkeit einher, der in direktem Widerspruch zur neoklassischen Überzeugung steht, sinkende Löhne müssten die Arbeitslosigkeit verringern.

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