Wie die EZB den Monetarismus unfreiwillig entlarvt

In einem Interview für den Podcast „Erklär mir die Welt“ des Journalisten Andreas Sator von Ende Mai offenbart die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB), dass sie weiterhin fest an den Monetarismus glaubt. Das interviewte Mitglied des EZB-Direktoriums, Isabel Schnabel, dokumentiert sehr deutlich, dass diese Denkschule die europäische Geldpolitik weiter in die Irre führt. Man lernt, warum die Fehler der Deutschen Bundesbank aus der zweiten Ölpreiskrise Ende der 1970er Jahre aktuell wiederholt werden.

Man muss keinen Streit um Worte anzetteln. Wenn Isabel Schnabel aber eingangs (Minute 1:44) erklärt „Inflation ist, wenn sich das Preisniveau einer Volkswirtschaft erhöht“ und später (Minute 14:22) erläutert, warum die EZB Preisstabilität bei einer mittelfristigen Preissteigerungsrate von zwei Prozent für gegeben hält, trägt sie zur Verwirrung bei. Viele verbinden nämlich mit dem Begriff Inflation von der Größenordnung her die Bandbreite der Preissteigerungsrate, die oberhalb der Zielrate der EZB, aber unterhalb dessen liegt, was als Hyperinflation gilt. Für Isabel Schnabel steht das Wort Inflation offenbar ganz allgemein für eine positive Preissteigerungsrate unabhängig von ihrer Höhe, ihrer Ursache und ihrer Dauer.

Eigentlich ist aber mit Inflation das übermäßige (1) und anhaltende (2) Aufblasen von Preisen auf breiter Front (3) gemeint ohne erkennbare spezifische Ursache (4), also ohne Schocks, die für das Zustandekommen bestimmter Knappheiten sorgen. Eine Entwicklung des Preisniveaus einer Volkswirtschaft, die alle diese vier Kriterien erfüllt, stört die Aufgabe, die Preise in einer funktionierenden Marktwirtschaft erfüllen müssen, nämlich reale Knappheiten zuverlässig anzuzeigen.

Doch wie dem auch sei, hier soll nicht um Definitionen gestritten werden. Wichtig ist, zwischen der reinen Definition eines ökonomisch schädlichen Phänomens und der Erklärung, wie es zu dem Phänomen selbst kommt, zu unterscheiden und zwar so, dass man lernen kann, wie es zu verhindern ist. Das Ziel ist zu verstehen, warum die Geldpolitik derzeit so handelt, wie sie es tut, und die Folgen dieser Politik einschätzen zu können.

Die Muschel-Inflation auf der Kokosnuss-Insel

Andreas Sator beschreibt seine Vorstellung von Inflation im Sinne von Geldentwertung so (Minute 7:04):

„Stellen wir uns jetzt eine Insel vor. Auf der Insel gibt’s nur Kokosnüsse. Sagen wir, jedes Jahr können 100 Kokosnüsse geerntet werden. Und es gibt auf dieser Insel auch 100 Muscheln [, die als Geld dienen; Anm. d. Verf.]. Und dann plötzlich findet jemand ein neues Lager und dann gibt’s 500 zusätzliche Muscheln. Das heißt, das Angebot an Gütern ist gleich und/aber die Geldmenge oder die Muschelmenge steigt. Deshalb ist die eine Muschel weniger wert, also weniger Kokosnüsse wert als vorher.“

Isabel Schnabel antwortet (Minute 7:44):

„Ja, das hast du perfekt beschrieben. Geld hat natürlich deshalb auch einen Wert, weil es knapp ist. … Das gab’s ja gerade auch in den goldbasierten oder silberbasierten Geldsystemen … immer wieder, … wenn es plötzliche Goldfunde gab. … Gold [war plötzlich] nicht mehr ganz so knapp wie vorher. Und das führt dann faktisch zu einer Ausweitung der Geldmenge, und da müssen sich dann irgendwie im Gleichgewicht dann die Preise auch anpassen. Das ist natürlich in der Realität nicht ganz so einfach. Aber so im Großen und Ganzen kann man sich das so vorstellen.“

Isabel Schnabels Zustimmung zu Sators laienhafter Vorstellung von Inflation ist erstaunlich. Sie hätte einwenden müssen, dass das Kokosnuss-Beispiel nichts mit einer modernen, monetären, arbeitsteiligen Wirtschaft zu tun hat, die sich laufend verändert und in der es eben deshalb nicht immer Jahr für Jahr 100 Kokosnüsse zu ernten gibt. Sie hätte ausführen müssen, dass die Veränderung der Wirtschaft, namentlich der Produktivität, wesentlich von den Zinsbedingungen abhängt, zu denen Geld zur Finanzierung von Investitionen zur Verfügung gestellt wird. Und dass deshalb die Vorstellung einer Geldmenge auf der einen und einer davon unabhängigen Gütermenge auf der anderen Seite, wie sie das Muschel-Kokosnuss-Beispiel suggeriert, grundlegend falsch ist, wenn man unser Wirtschaftssystem, das Phänomen Inflation und erst recht unsere Geldpolitik beschreiben will.

Doch nichts dergleichen ist zu hören. Isabel Schnabel bezieht sich nach einem kurzen Ausflug ins Muschel- und Goldsystem sofort wieder auf unser Geldsystem – sie spricht ja von der „Realität“. Dorthin nimmt sie die „Ausweitung der Geldmenge“ des Muschel-Kokosnuss-Beispiels mit und versucht die Kluft zwischen einem solchen realitätsfernen Warengeldsystem und unserem modernen Kreditgeldsystem mit dem lapidaren Satz zu bewältigen, dass sich die Preise „dann irgendwie im Gleichgewicht … auch anpassen [müssen]“. Was man sich in unserem System unter einer Geldmenge, ihrer Ausweitung oder gar dem Anpassungsprozess der Preise daran vorzustellen hat, erklärt sie nicht. Und so setzt sich das simple und falsche Bild von Geld- und Güterberg, das nichts zur Erklärung von Inflation beiträgt, in der Vorstellung der Zuhörenden fest.

Konsequenterweise fragt Andreas Sator dann auch nach (Minute 9:16):

„Muscheln oder Silber, da kann man ja nie genau steuern, ob da neue gefunden werden. Das ist ja jetzt anders mit dem Euro. Wir handeln ja nicht mehr mit Muscheln in Europa. Da kann man das ja eigentlich gut steuern, wie viele es da gibt. Warum ist es dann trotzdem so schwer, warum kann man nicht einfach die Menge an Euros immer so anpassen, dass das mit der Menge an Gütern und Dienstleistungen zusammenpasst und dann ist die Inflation entweder beständig niedrig oder vielleicht sogar null?“

Hier kommt Isabel Schnabel ins Schlingern (Minute 9:53):

„Also grundsätzlich gibt es diesen groben Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation.  Allerdings ist es so, dass wir in den letzten Jahrzehnten gesehen haben, dass dieser Zusammenhang nicht ganz so perfekt passt. Also wenn wir uns mal diese Phase angucken, in der die Inflation sehr niedrig war, … also nach der globalen Finanzkrise 2008/2009 bis zur Pandemie … Da haben die Zentralbanken tatsächlich versucht, alles Mögliche zu tun, um die Inflation nach oben zu bringen, weil die Inflation ja sogar zu niedrig war. Die Geldmenge hat sich massiv ausgeweitet, aber die Inflation hat trotzdem nicht unmittelbar reagiert.“

Man fragt sich, wie das Wort „unmittelbar“ mit einem Zeitraum von zehn Jahren zusammenpasst. Wenn die Ausweitung einer wie auch immer definierten Geldmenge zehn Jahre lang nicht zu der gewünschten Preissteigerungsrate von zwei Prozent geführt hat, dann existiert nicht einmal ein grober Zusammenhang zwischen Inflation und Geldmenge, der von der Geldpolitik steuerbar wäre. Offenbar hängt die Entwicklung des durchschnittlichen Preisniveaus von anderen Faktoren ab, auf die die Geldpolitik, wenn überhaupt, nur mittelbaren oder – wie im Fall einer deflationären Phase – gar keinen Einfluss mehr hat.

Woher rührt gesamtwirtschaftliche Preissteigerung ohne exogene Schocks?

Zu Beginn des Interviews verwendet Isabel Schnabel bei der Erklärung, wie Inflation ihrer Ansicht nach zustande kommt, das Wort Geldmenge tatsächlich auch kein einziges Mal. Stattdessen verlegt sie sich auf das Beispiel des Pandemie-Schocks (Minute 4:14): Nach Aufhebung des Lockdowns stieg die Nachfrage nach Gütern aufgrund von Nachholeffekten schnell an, während das Güterangebot aufgrund andauernder Störungen der weltweiten Lieferketten nicht so rasch wieder hochgefahren werden konnte. Dieses Auseinanderklaffen von Angebot und Nachfrage führte dann zu deutlichen Preissteigerungen.

Das ist die korrekte Beschreibung eines exogen verursachten Preisschubs, jedoch nicht von Inflation, also anhaltender, hoher und funktionsloser Preissteigerungen auf breiter Front. Auch der zweite, kurz darauf folgende exogene Schock, der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der eine Energiepreiskrise auslöste, führte zu einem extremen Preisschub. Er arbeitet sich nach und nach durch alle Güterarten hindurch, weil fast jede Produktion in irgendeiner Weise Energie benötigt, wie Isabel Schnabel selbst ausführt (Minute 5:26).

Aber beide Preisschübe haben klar erkennbare Ursachen und ganz spezifische Folgen: Nicht alle Güter werden momentan beliebig teurer, sondern z.B. die energieintensiv produzierten Waren wesentlich stärker als die mit weniger Energie produzierten. Einige Preise fallen sogar inzwischen wieder, andere steigen nur noch mit geringen Raten. Daraus ergibt sich ein sehr differenziertes Bild der Preislandschaft. Weil beide exogenen Schocks direkt aufeinander folgten, stieg das durchschnittliche Preisniveau zwei Jahre hintereinander stärker als gewünscht. Woher kommt aber eine über exogene Schocks hinaus anhaltend höhere Preissteigerungsrate? Und steht uns eine solche Entwicklung in den nächsten Jahren bevor?

Isabel Schnabel greift auf die einzelwirtschaftliche Sicht zurück, um zu erläutern, wie Preise überhaupt zustande kommen, nämlich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage (Minute 3:29). Die Unternehmen legten die Preise gemäß ihrer Kosten- und Konkurrenzsituation fest, und die privaten Haushalte reagierten auf diese Preise und abhängig von ihrer Einkommenssituation mit entsprechender Nachfrage. Daraus ergäben sich die Preise.

Doch wie entsteht daraus eine durchschnittliche Preissteigerungsrate von zwei Prozent, also die gewünschte gesamtwirtschaftliche Preisstabilität? Denn sobald Angebot und Nachfrage im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt übereinstimmen, gibt es ja gemäß Isabel Schnabels Beschreibung keinen Anlass mehr für Preissteigerungen. Die EZB-Direktorin erwähnt nicht, dass auf gesamtwirtschaftlicher Ebene die Einkommen, von denen die Höhe der Nachfrage abhängt, und die Kosten der Unternehmen, von denen ihre Preissetzung bestimmt wird, eng zusammenhängen, nämlich über die Löhne oder genauer gesagt: über die Löhne im Verhältnis zur Produktivität, also die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten. Die Unternehmen müssen den jeweiligen Kostendruck, der sich gesamtwirtschaftlich in den Lohnstückkosten niederschlägt, in den Preisen weitergeben, wenn sie nicht Konkurs gehen wollen. Und sie können das auch, ohne im Durchschnitt auf zu wenig Nachfrage zu treffen, weil der Kostendruck das für eine ausreichende nominale Nachfrage erforderliche Echo in den Lohneinkommen findet.

Steigen die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten auf Dauer in Höhe der Zielrate der Geldpolitik, ergibt sich daraus mittelfristig die gewünschte Preisstabilität (wenn nicht wie derzeit exogene Schocks unmittelbar hintereinander auftreten). Liegt das Lohnstückkostenwachstum auf Dauer über der Zielrate, findet Inflation statt. Liegt das Lohnstückkostenwachstum unter der Zielrate, wächst das Preisniveau langsamer als gewünscht und bewegt sich damit im ebenfalls instabilen oder gar offen deflationären Bereich. Hält diese Konstellation wegen unzureichender Lohnsteigerungen an, kann daran auch eine Nullzinspolitik der Zentralbank nichts ändern, wie die EZB in den 2010er Jahren lernen musste. Isabel Schnabel hätte hier eine gute Begründung für die fast zehn Jahre andauernde Unwirksamkeit der Geldpolitik der EZB gefunden, über die sie bei dem Versuch stolpert, den Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation zu erklären.

Monetaristische Scheuklappen: Produktivitätssteigerung bleibt exogen und damit unerklärt

Doch dann hätte Isabel Schnabel – je nach Gewitztheit von Andreas Sator – möglicherweise die Frage beantworten müssen, warum die EZB damals versäumte, die Lohnpolitik zur Hilfe zu rufen, sprich: zu höheren Lohnabschlüssen zu ermuntern. Und dann hätte die Frage nahegelegen, warum die Geldpolitik aktuell nicht ebenfalls mit der Lohnpolitik so zusammenarbeitet, dass aus den Preisschüben aufgrund der exogenen Schocks keine jahrelange Inflation wird. Und ob eine Kooperation von Geld- und Lohnpolitik nicht für alle in Europa der bessere Weg wäre anstelle des derzeitigen steilen Zinsanstiegs zum Abwürgen der Investitionsnachfrage. Denn die Verunsicherung der privaten Wirtschaftsakteure und der folgende Anstieg der Arbeitslosigkeit hilft zwar mit Sicherheit, Lohn-Preis-Spiralen, wenn sie denn drohen sollten, im Keim zu ersticken. Doch zugleich wird auch jeder Keim eines Aufschwungs erstickt und stattdessen der durch die Realeinkommensverluste ohnehin drohenden Rezession der Weg bereitet.

Der Verdacht liegt nahe, dass der gesamtwirtschaftliche Zusammenhang in diesem Interview deshalb nicht zur Sprache kommt, weil er die Vorstellung vom Geld- und Güterberg und die sich daraus ergebende Auffassung von Inflation über den Haufen werfen würde. Wie aber sollte man dann den Monetarismus in den Köpfen der Bevölkerung verankern? Es ist symptomatisch für das Versagen des Beitrags in Sachen Aufklärung, dass das Wort Produktivität in den 42 Minuten kein einziges Mal fällt.

Schließlich dreht es sich beim Thema Inflation um ein Phänomen, das im Verlauf der Zeit stattfindet, das also grundlegend etwas mit Dynamik zu tun hat. Wenn Preise, wie die Zentralbankerin erklärt, auf dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage beruhen, müsste man auf die Veränderungen des Angebots durch Produktivitätssteigerungen und Kapazitätserweiterungen zu sprechen kommen. Man müsste zwangsläufig auf den Effekt hinweisen, den Zinsen über die Investitionsnachfrage auf die Produktivitätsentwicklung ausüben. Isabel Schnabel gesteht zwar zu, dass das „zentrale Instrument“ der Geldpolitik der Zins ist (Minute 10:52) und nicht irgendeine Geldmenge. Aber sie erläutert nur die Wirkung steigender Zinsen auf die Kreditnachfrage und auf die Investitionen als Teil der Gesamtnachfrage, nicht aber die Effekte, die diese Nachfragekomponente direkt auf die Produktionsweise und damit das Angebot selbst hat.

Spräche man über Produktivität, stünde die Geldpolitik sofort nicht mehr als alleinige Hüterin der Geldwertstabilität da, sondern als Mitverantwortliche für die realwirtschaftliche Entwicklung. Und zugleich läge die Verantwortung der Lohnpolitik für die Geldwertstabilität auf der Hand.

Zentrale Lehre aus den 1970er Jahren: Inflationserwartungen verankern?

Ab Minute 23:55 kommt Isabel Schnabel auf die Ölpreiskrisen der 1970er Jahre zu sprechen, ein Abschnitt, auf den die EZB bei der Verlinkung des Podcast über ihren Twitter-Kanal explizit hinweist:

„Die Zeit, aus der wir tatsächlich am meisten [über Inflation und Geldpolitik, Anm. d. Verf.] gelernt haben, waren die 1970er Jahre, also diese Zeit der Ölpreisschocks, also … ähnlich wie das, was wir heute haben. Und damals war es so, dass die Inflation in manchen Ländern eben schon außer Kontrolle geraten ist. Man hatte damals noch viele Indexierungen bei Löhnen, das heißt, dass die Löhne sich automatisch erhöht haben mit der Inflationsrate, was dann diese … Lohn-Preis-Spirale noch angekurbelt hat.“

Eigentlich ist Isabel Schnabel hier nah an einer vernünftigen Erklärung, wie Inflation entsteht und wie sie verhindert werden kann und dass sie heute bei Preisschüben nicht automatisch droht angesichts der Tatsache, dass wir in den Mitgliedstaaten der EWU kaum noch (Ausnahmen Belgien und Zypern) Lohnindexierung haben. Doch leider ergreift die Zentralbankerin nicht die Gelegenheit, differenzierter auf die damalige Entwicklung einzugehen: In der ersten Ölpreiskrise 1973/1974 schlugen die Gewerkschaften in der Tat über die Stränge, so dass der Geldpolitik nicht viel anderes übrigblieb, als die Lohn-Preis-Spirale durch extreme Zinserhöhungen zu brechen und einen Schub an Arbeitslosigkeit auszulösen. Daraus lernten die deutschen Gewerkschaften, so dass sie in der zweiten Ölpreiskrise ab 1979 den zum Scheitern verurteilten Versuch, an die OPEC-Staaten verlorenes Realeinkommen durch inflationäre Lohnabschlüsse zurückzugewinnen, nicht mehr in gleicher Weise wiederholten.

Doch die Deutsche Bundesbank vertraute auf diesen Lernprozess der deutschen Gewerkschaften offenbar nicht, unterstützte ihn auch nicht durch offene Kommunikation, sondern betrieb ab 1979 wiederum eine extreme Zinspolitik mit der Folge eines erneuten und noch einmal stärkeren Schubs an Arbeitslosigkeit. Aus dieser bitteren Erfahrung entwickelte sich die deutsche Lohnzurückhaltung, die sich bereits in den 1980er Jahren in deutschen Leistungsbilanzüberschüssen niederschlug. Denn die Lohnpolitik in den übrigen westeuropäischen Ländern hatte zunächst keinen vergleichbaren Lernprozess vollzogen, sondern ganz im Gegenteil die Lohnindexierung, die Isabel Schnabel erwähnt („Man hatte damals noch“), erst in Reaktion auf die erste Ölpreiskrise eingeführt. Auf diese Weise konnte die deutsche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den preisinstabileren europäischen Handelspartnern zulegen. Die deutschen Exportüberschüsse lieferten schon damals einen gewissen Ausgleich für die vergleichsweise schwächelnde Binnennachfrage. Damals wurden die entstehenden Handelsungleichgewichte jedoch durch eine Aufwertung der D-Mark wieder korrigiert. Die deutsche Währung mauserte sich so zur Ankerwährung der europäischen Währungen, und die Macht der Deutschen Bundesbank wuchs über Deutschlands Grenzen hinaus.

Das Wechselkursventil steht den EWU-Ländern heute bekanntlich nicht mehr zur Verfügung, was in den Regeln der Währungsunion von vornherein anders hätte berücksichtigt werden müssen als durch die vom Monetarismus inspirierten europäischen Fiskalregeln. Auch heute könnte und müsste die EZB aus den Erfahrungen der ersten beiden Ölpreiskrisen Schlüsse ziehen, um einen unnötigen Schub an Arbeitslosigkeit und obendrein eine Neuauflage der Eurokrise zu vermeiden. Doch darauf geht Isabel Schnabel nicht ein. Stattdessen betont sie als zentrale Lehre folgenden Aspekt (Minute 24:54):

„Damals hatte man auch nicht hinreichend verstanden, wie wichtig die Inflationserwartungen sind. Heute widmen wir den Inflationserwartungen sehr viel Gewicht, weil das, was wir letzten Endes schaffen müssen, ist, dass die Menschen das Vertrauen in uns nicht verlieren, die Inflation zu verankern bei diesen zwei Prozent. Das hatte man damals noch nicht so gut verstanden. Und so ist es dann passiert, dass die Leute gedacht haben, oh, die Inflation bleibt hoch oder wird vielleicht noch höher, und das ist dann sehr schwer wieder einzufangen. Das wissen wir heute besser, wie wichtig das ist, dieses Vertrauen zu bewahren.“

Wie soll man Vertrauen in eine Geldpolitik bewahren, die – zugegeben: unverschuldetermaßen – nicht in der Lage ist, importierte Inflation zu unterdrücken, aber auch – unentschuldbar – nicht kommuniziert, was sie zur Abfederung des Schocks beitragen könnte, wenn umgekehrt die Lohnpolitik ihre Verantwortung zur Verhinderung einer Lohn-Preis-Spirale wahrnimmt (wie das in Deutschland derzeit der Fall ist)? Wie soll ein Muschel-Kokosnuss-Monetarismus das Verständnis für die gegenwärtige Situation erhöhen? Er bewirkt das Gegenteil: Er führt lediglich zu der irrigen Auffassung, dass die EZB in den 2010er Jahren so ziemlich alles falsch gemacht habe, weil sie durch ihre Nullzinspolitik den Geldberg so erhöht habe, dass die derzeitigen Preisschübe, die „Inflation“, überhaupt erst möglich wurden. Glaubt die EZB-Direktorin tatsächlich, dass die Geldpolitik vor dem Hintergrund ihrer monetaristischen Erklärungen das Vertrauen der Bevölkerung während einer von ihr mitverursachten Rezession zurückgewinnen kann?

Historische Fakten widerlegen wirre Begründungsversuche der aktuellen Zinsanhebungen

Isabel Schnabel beklagt, dass die aktuell aus der Energiepreiskrise folgenden Preissteigerungen breiter gelagert und persistenter seien als von der EZB erwartet (Minute 26:15), obwohl sie zuvor selbst erklärt hatte, dass sich Energiepreisschübe logischerweise in allen Güterkategorien nach und nach niederschlagen (Minute 5:26). Zugleich behauptet sie, man habe gesehen, „dass die Löhne immer stärker steigen“ (Minute 26:32). Den strammen Kurs der Geldpolitik leitet sie daraus und aus der Vermutung ab, die Lohnpolitik könne heute eine Lohn-Preis-Spirale lostreten wie damals. Sie begründet ihre Vermutung mit einem Vergleich der Arbeitsmarktsituation in den 1970er Jahren und heute (Minute 27:36):

„Im Moment ist es ja so, dass der Euroraum noch relativ robust ist. Wir haben vor allen Dingen einen ungewöhnlich starken Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit ist ja tatsächlich – und das ist natürlich ein Riesenunterschied zu den 70er Jahren – auf einem historischen Tiefststand im Euroraum. … Wir haben große Arbeitskräfteknappheit. Gleichzeitig heißt das aber natürlich auch, dass … in diesem Verhandlungsprozess die Arbeitnehmer mehr Verhandlungsmacht haben, weil alle händeringend nach Personal suchen. Das kann natürlich dann wiederum dazu führen, dass die Löhne stärker steigen. Und das ist genau das, wo wir ja so aufpassen müssen. Und die Löhne werden natürlich noch stärker steigen, wenn die Menschen uns nicht abnehmen, dass wir die Inflation wieder auf zwei Prozent zurückbringen. Und deshalb ist es ja so wichtig, dass es uns tatsächlich gelingt, die Inflation wieder runterzubringen und nicht irgendwie in fünf Jahren, sondern so schnell wie möglich.“

Schaut man sich das Niveau der Arbeitslosigkeit in den zwölf Volkswirtschaften, die die EWU gegründet haben, in den 1970er Jahren an, stellt sich Isabel Schnabels Behauptung als empirisch falsch heraus (siehe Abbildung). Die Beschäftigungssituation in Europa war damals deutlich besser als heute: Die Arbeitslosenquote lag zwischen ungefähr 2,3 (1970) und 5,5 (1979) Prozent, im Jahr 2022 betrug sie hingegen 6,4 Prozent (für alle 20 EWU-Mitglieder zusammen lag sie 2022 sogar bei 6,8 Prozent).

In den vierzig Jahren, die seit der zweiten Ölpreiskrise vergangen sind, ist die Macht der Gewerkschaften in Europa obendrein stark gesunken. Millionen von Arbeitslosen nach der Finanzkrise und im Zuge der Eurokrise stecken den Arbeitnehmerorganisationen noch in den Knochen. Zudem haben sie den Druck, den die europäischen Fiskalregeln auf die Staatshaushalte ausüben, sehr wohl vor Augen. Alle wissen, dass die aktuelle Ausweitung der Rüstungsausgaben die Sozialbudgets bedroht, auf die Arbeitslose und Geringverdiener im Zweifel angewiesen sind. Wie sollten die Beschäftigten unter diesen Umständen eine größere Durchsetzungskraft bei Lohnverhandlungen zustande bringen als in den 1970er Jahren?

Offenbar ist sich Isabel Schnabel ihrer Argumentation auch nicht so sicher. Denn kurz darauf (Minute 29:44) beschreibt sie die Lage so: „Was im Moment natürlich sehr schwierig ist, … die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben … real, also inflationsbereinigt unheimlich an Kaufkraft verloren, weil wir hatten jetzt ja schon eine ganze Weile hohe Inflation. Und die Löhne sind ja nicht annähernd so stark angestiegen. … Der starke Energiepreisanstieg hat uns als Region [gemeint ist Europa; Anm. d. Verf.] ärmer gemacht. … Diese Kosten müssen von irgendjemandem getragen werden. Im Moment sieht es so aus, dass der größte Teil tatsächlich von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern getragen wurde.“

Und ab Minute 33:35 führt sie aus: „Wir sehen zwar eine hohe Inflation, aber das führt eher dazu, dass die Menschen sich ärmer fühlen und eher sogar weniger konsumieren.“

Ja was denn nun, möchte man dazwischenfragen, weil es Andreas Sator nicht tut: Besteht bei rückläufiger Konsumnachfrage Inflationsdruck oder nicht? Ist der erfolgte Kaufkraftverlust Beleg dafür, dass die Lohnpolitik stillgehalten hat, oder dafür, dass die Löhne zu stark gestiegen sind? Warum befürchtet die Geldpolitik angesichts der aktuellen moderaten Lohnabschlüsse, dass die Gewerkschaften anstreben oder es ihnen gar gelingen könnte, die erfolgten Kaufkraftverluste wieder wettzumachen?

Monetarismus und Marktdogma – zwei Seiten ein und derselben Medaille

Die Fehlinterpretation der Preisentwicklung der letzten zwei Jahre als waschechte Inflation durch Fachleute wie Isabel Schnabel ist für die EZB die Basis, den Gewerkschaften hohe Inflationserwartungen zu unterstellen. Die werden benötigt, um die extrem straffe Geldpolitik zu rechtfertigen, die als kluge Vorausschau erscheinen soll. De facto versucht die Geldpolitik auf diese Weise, sich aus der Verantwortung für die Folgen ihrer aktuellen Politik zu stehlen. Das Konstrukt der Inflationserwartungen dient als – recht fadenscheiniges – Mäntelchen, mit dem man den monetaristischen Ansatz verschleiert.

Warum ist den Verantwortlichen in der EZB das monetaristische Gedankengebäude, diese „heilige Kuh“ aus den Hochzeiten der Deutschen Bundesbank, aber so wichtig? Diese Denkschule suggeriert, die Zentralbank sei ein alleinstehender Akteur, der nicht auf die anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik, namentlich die Lohnpolitik, aber auch die Fiskalpolitik angewiesen ist, um erfolgreich zu sein, und der daher auch nicht mit den Verantwortlichen dieser Bereiche kommunizieren oder gar kooperieren muss.

Die so oft betonte Unabhängigkeit der Zentralbank von der Politik, die eigentlich nur verhindern soll, dass der Staat ohne Rücksicht auf inflationäre Folgen beliebig öffentliche Ausgaben finanzieren kann, wird missinterpretiert als Freibrief für ein Elfenbeinturmdasein der Geldpolitik. Der Monetarismus behauptet einfach, dass allein die Geldpolitik für die Entwicklung des Preisniveaus zuständig und daher an ihr zu messen sei. Und deshalb darf, kann und muss die Zentralbank mit den Zinsen auf jede unerwünschte Preisniveausteigerung stramm reagieren, unabhängig von deren Ursachen und unabhängig von den Folgen, die sie damit in der Realwirtschaft anrichtet.

Die Realität einer modernen Marktwirtschaft sieht aber anders aus: Die Geldpolitik beeinflusst über den Zins direkt die Produktivitätsentwicklung. Mit dem Ergebnis der Lohnpolitik, die die Nominallohnentwicklung bestimmt, ergibt sich daraus die Entwicklung der Lohnstückkosten und mittelfristig des Preisniveaus. Nimmt man diese permanent herrschende wechselseitige Abhängigkeit von Geld- und Lohnpolitik zur Kenntnis, ist klar, dass beide Politikbereiche gemeinsam Verantwortung für Preisstabilität, Wachstum und Beschäftigung tragen und nur durch Kooperation erfolgreich sein können.

Für diese realistische Sicht der Dinge ist es aber unabdingbar, sich von der Vorstellung eines gesamtwirtschaftlichen Arbeitsmarktes zu verabschieden, auf dem sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage das gesamtwirtschaftlich passende Lohnniveau von allein einstelle, wenn man die Tarifparteien nur unabhängig agieren lasse. Die Tarifparteien agieren im Zweifel jedoch prozyklisch und aufgrund der Machtverteilung mit einem Bias zugunsten zu niedriger Löhne, wenn sie zu keiner gesamtwirtschaftlichen Verantwortung verpflichtet werden. Das spielt den Arbeitgebern kurz- und mittelfristig in die Hände, weshalb sie von der simplen Marktvorstellung nicht lassen mögen. Und die Gewerkschaften, vor allem aber die Betriebsräte fürchten um ihre Bedeutung, wenn ein gesamtwirtschaftlich angemessener Rahmen für Tarifabschlüsse von vornherein feststeht.

Und so sind sich die entscheidenden Akteure in Geld- und Lohnpolitik stillschweigend einig, dass man lieber an den Monetarismus glaubt, der die Pflege des eigenen Vorgartens rechtfertigt, als sich durch mühsame Kooperation und noch mühsamere Kommunikation mit der Öffentlichkeit um eine gesamtwirtschaftlich verantwortungsvolle Politik zu bemühen. Führt diese Strategie dann in die Stagnation oder Rezession, schiebt man der jeweils anderen Seite die Schuld daran in die Schuhe.

So funktioniert Aufklärung ganz sicher nicht

Isabel Schnabel hat sich eine allgemein verständliche Kommunikation der Geldpolitik auf die Fahnen geschrieben. So erklärt sie in einem SZ-Interview vom 10. Januar 2022:

„Das Vertrauen der Bevölkerung in die EZB ist eine Voraussetzung für den Erfolg unserer Politik. Deshalb bemühen wir uns, komplexe Zusammenhänge möglichst einfach zu erklären. … Insgesamt ist es uns noch nicht hinreichend gelungen, für geldpolitische Zusammenhänge einfache Worte zu finden. Daher stecken wir viel Energie in die Kommunikation. Da müssen wir einfach noch besser werden.“

Diesem Anspruch wird sie in dem hier analysierten Podcast nicht nur nicht gerecht, sie richtet sogar Schaden an. Denn simple, aber in der Sache unzutreffende Parolen und Vorstellungen erschweren es, Zustimmung für eine rationale Wirtschaftspolitik zu finden. Wer so vorgeht, trägt dazu bei, dass noch flacher und widersprüchlicher argumentierende Zeitgenossen Gehör finden. Isabel Schnabel muss sich an dem messen lassen, was sie in Zeiten der bereits langwährenden deflationären Preisinstabilität am 11. Februar 2020 in einer Rede in Karlsruhe der Zentralbank und „der Öffentlichkeit“ ins Stammbuch geschrieben hat:

„Natürlich muss auch die Zentralbank die Nebenwirkungen bei der Ausgestaltung der geldpolitischen Maßnahmen im Blick haben, vor allem wenn diese Rückwirkungen auf die Preisstabilität haben. Eine sorgfältige Abwägung von Nutzen und Kosten muss Teil der geldpolitischen Entscheidungen sein. … Wichtig ist, dass die Öffentlichkeit diesen Prozess kritisch und konstruktiv begleitet – aber bitte auf Basis von Fakten, nicht von Narrativen, die einer sachlichen Grundlage entbehren.“

An der sachlichen Grundlage für eine sorgfältige Abwägung von Nutzen und Kosten der geldpolitischen Entscheidungen fehlt es im Leitungsgremium der EZB, weil es sich vom Narrativ des Monetarismus nicht lösen will.

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3 Gedanken zu „Wie die EZB den Monetarismus unfreiwillig entlarvt“

  1. Ich möchte ergänzen, dass die den Gewerkschaften unterstellte Inflationserwartung, die angeblich undifferenziert in Lohnforderungen übersetzt werde, auch nur üble Nachrede sein kann, wenn ich vorraussetze, dass zumindest die größten/mächtigsten Gewerkschaften Chefökonomen haben, die scheinbar sehrviel besser über Inflation bescheid wissen, als die EZB und hier stellvertretend Isabell Schnabel. Zu dieser Schlussfolgerung verleitet mich Dierk Hirschel, Chefökonom von ver.di, der vor nicht allzu langer Zeit bei Tilo Jung war: https://www.youtube.com/live/qGYpHnFHo90?feature=share

    Mit größtem Interesse,
    über Korrekturen, Verbesserungen und Kritik bin ich sehr dankbar,

    Felix Nestler

    PS: Mir blieb in Erinnerung, dass auch Dierk Hirschel in dem Interview der Täuschung aufsitzt, Deutschland habe das Wirtschaftswunder erlebt, weil nach dem Krieg soviel wieder aufzubauen gewesen sei; Nein, das Wirtschaftswunder gab es aus anderen Gründen in ganz vielen anderen Länder u.a. Italien, pointiert gesagt, zufällig in den Ländern des Bretton-Woods-Systems. Ihr Kollege Heiner Flassbeck berichtete einmal darüber, den Nachweis finde ich leider ad hoc nicht. Auch Ludwig Erhard war dabei eher ein Bremser, ganz im Gegenteil zu dem, was im deutschen Geschichtsgedächtnis so hängenbleibt; Ole Nymoen und Wolfgang Schmitt klären das hier auf: https://youtu.be/5yI76MeBlK0

  2. Guten Tag Frau Spiecker,
    über den stets wirkmächtigen Monetarismus in den Köpfen der EZB-Entscheidungsträger müssen wir nicht diskutieren. Irgendwie erinnert es mich an die Aufrechterhaltung des geozentrischen Weltbilds in der (katholischen) Kirche, lange nachdem Nikolaus Kopernikus durch Beobachtung die Realität beschreiben konnte. Die sich durch den Monetarismus aufdrängende Austerität offenbart eine zynische Vorstellung von Gesellschaft. Auf JACOBIN findet sich hierzu ein lesenswerter Artikel.
    https://jacobin.de/artikel/austeritaet-ist-klassenkampf-von-oben-sparpolitik-inflation-christian-lindner-lars-feld-clara-matei-maximilian-hauser/
    Ich frage mich, warum solche Menschen nicht reflektieren wollen. Deren Narrativ zerschellt an der Realität, und Wissenschaft ist der Empirie verpflichtet. Eitelkeit, Schamgefühl und welche sonstigen menschlichen Befindlichkeiten dürften dem nicht im Weg stehen. Oder haben wir es mit verkappten Klassenkämpfern zu tun?
    Die Zinssteuerung ist in ihrer Wirksamkeit einer Asymmetrie unterworfen. Zinserhöhungen führen sicher zu Investitionsschwäche, was umgekehrt leider nicht der Fall ist. Sinkende Zinsen können, aber müssen nicht zu zusätzlichen Investitionen führen. Die Niedrigzinsphase lieferte den Beweis. Profiteur waren die Vermögensmärkte. Überall galoppierten die Indizes, seien es Aktien, Anleihen, Grund- & Immobilienbesitz. Durch die Zinswende entstehen zwei Fronten, die unseren Wohlstand gefährden. Die Realwirtschaft wird gebremst, und die Vermögensmärkte geraten ins Rutschen, weil die Finanzierungskosten steigen. Diese Fronten sind miteinander verbunden und schaukeln sich gegenseitig hoch. In der Praxis sieht das u.a. so aus: Deutschlands Banken vergaben in Zeiten niedriger Zinsen und Zinsmargen immer mehr Immobilienkredite. Die Kreditbücher wurden immer immobilienlastiger. Was mir der Vorstand meiner Hausbank darüber berichtete, lässt mich zweifeln. Der Vorstand hat allerdings dank monetaristischer Argumentation kaum Bedenken. Der Produktivität im Land ist damit nicht gedient, sondern der Spekulation. Jetzt fehlt das Neugeschäft, und drohende Abschreibungen lauern überall. Aus Verzweiflung oder Unkenntnis wird über den aussichtslosen Versuch niedrigerer Kaufnebenkosten diskutiert.
    https://www.ifo.de/pressemitteilung/2019-08-19/ifo-institut-grunderwerbsteuer-belastet-vor-allem-immobilienverkaeufer
    Von daher dürften sinkende Leitzinsen an Relevanz gewinnen, damit die Vermögensmärkte nicht kollabieren. Einen Vorgeschmack lieferte das um 462,1 Mrd. Euro gesunkene Nettogeldvermögen (Geldvermögen minus Verbindlichkeiten) der privaten Haushalte in Deutschland 2022 gegenüber 2021.
    https://www.pufendorf-gesellschaft.org/post/die-entwicklung-der-geldverm%C3%B6gen-in-deutschland-2022
    Gestiegene Arbeitslosigkeit ist ein hinzunehmender Kollateralschaden, doch bedrohte Vermögensmärkte führen zu Zinssenkungen.

  3. Sehr geehrte Frau Dr. Spiecker, Ihre u die Artikel von Prof. Flassbeck sind mir ein Vergnügen. Sie behandeln basale Fragen der Geld-u Finanzpolitik. Ich bin Elektroingenieur. Nach Ihrer beider Erläuterungen maße ich mir nicht an VWL’er zu sein, so wie ich als Ing. nicht gleich in der Lage bin architektonische Elemente statisch zu berechnen. Aber, die logischen Elemente von Fundamenten, denke ich nach Vortrag schon verstehen zu können. So geht es mit den Fundamenten, die Sie untersuchen. Nach ca. 6.. 8 Jahren div. Bücher, Makroskop u Relevante Ökomomik und Aldreds korr. Gesell. , I. Webers … Inflation erfüllt mich Grauen beim Gedanken an Monetaristen den Mainstreamin, EZB, Weltbank und IWF….. u Lindner!!
    Ich habe einen weiten Weg hinter mir über Jahrzehnte FAZ bis zu Ihnen.
    Mit freundlichen Grüssen
    Manfred Peters

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