Im Jahr 1997 reisten Oskar Lafontaine (damals Parteivorsitzender der SPD) und ich in die USA. Wir hatten neben vielen anderen Treffen ein langes Gespräch mit Alan Greenspan, dem legendären und damals noch global bewunderten Vorsitzenden des Federal Reserve Systems, also der amerikanischen Zentralbank.
Das Gespräch, das Greenspan nur in Begleitung einer Person aus seinem Stab mit uns beiden führte, war höchst interessant. Er erklärte im Detail, wieso er bereit war, gegen das damals noch herrschende monetaristische Dogma von der natürlichen Arbeitslosigkeit zu verstoßen und weit länger, als es dieses Dogma vorsah, auf eine das Wachstum und die Beschäftigung stimulierende Geldpolitik zu setzen. Greenspan vertrat die Konzeption einer flexiblen und auf die konjunkturelle Situation abgestellten Geldpolitik, da aus seiner Sicht die Geldpolitik bei realistischer Betrachtung der zeitlichen Abläufe jederzeit in der Lage sei, eine im Entstehen begriffene Inflationsbeschleunigung ohne große Mühe abzubremsen.
Nach dem Gespräch waren Oskar Lafontaine und ich uns einig, das wir in Greenspan den exakten Gegenpart zu den dogmatischen, vom Monetarismus geprägten europäischen Notenbankern, am besten verkörpert durch den damaligen Bundesbankpräsidenten Hans Tietmeyer, gesehen hatten. Wir waren allerdings nicht so optimistisch zu glauben, dass sich die Ära der dogmatischen Monetaristen so schnell ihrem Ende zuneigen würde, wie es dann tatsächlich geschah. Greenspans Position zu den Märkten im Allgemeinen und sein grenzenloser Optimismus hinsichtlich der Rationalität der Finanzmärkte, die ihm später zu Recht viel Kritik einbrachte, war nicht Gegenstand unseres Gesprächs und schmälert seine historische Leistung als Notenbanker und als Überwinder des Monetarismus in
meinen Augen nicht wesentlich.