AfD und neoklassischer Mainstream im Wettstreit: Land unter für die Logik

Die FAZ hat ein Streitgespräch zwischen Bernd Lucke, dem Sprecher der Partei „Alternative für Deutschland“, und Dennis Snower, dem Präsidenten des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel, über den weiteren Weg der Europäischen Währungsunion (EWU) abgedruckt. Aus Sicht der FAZ scheint das ein lohnender Diskurs zu sein. Denn beide Ökonomen sind sich zwar in der Krisenanalyse einig – mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Südeuropas dank im Verhältnis zur Produktivität zu hoher Löhne –, aber sie vertreten gegensätzliche Standpunkte, wie die Krise zu meistern sei. Der eine möchte, dass die Südeuropäer die EWU verlassen, der andere will möglichst alle EWU-Mitglieder bei der Stange halten und dazu „atmende Fiskalregeln“ einführen.

Aus unserer Sicht ist berichtenswert, worüber sich beide Diskutanten
nicht unterhalten haben und was offenbar auch die Moderatoren der FAZ nicht interessiert: Das ist zum einen die grundsätzliche Frage, welches Verhältnis Löhne und Produktivität denn einnehmen sollten in einer Währungsunion, zum anderen die Frage, welche Folgen die vorgeschlagenen Lösungen
für Deutschland hätten.

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Lettland, Löhne und die Krise

Vor ein paar Wochen haben wir schon kursorisch über einige Länder berichtet, die unter besonderen Umständen in die Eurozone gekommen sind oder sich um eine Aufnahme bewerben: Slowenien ist seit 2008 Mitglied und steckt derzeit in großen Schwierigkeiten. Estland, das den Euro 2011 einführte, hat die Anpassung innerhalb der EWU scheinbar geschafft und gilt vielen als Musterland in Sachen Anpassung und Flexibilität. Lettland hat seinen festen Wechselkurs zum Euro trotz widriger Umstände verteidigt und verdient daher die Aufnahme in die Europäische Währungsunion EWU, so die herrschende Meinung allen voran in der EU-Kommission. Dass die Kommission in Zeiten, in denen die EWU vor einer Zerreißprobe steht, über jeden Kandidaten froh ist, der durch sein Aufnahmebegehren die Attraktivität dieser Währungsunion zu belegen scheint, ist nur allzu verständlich. Und auch, dass man sich durch die zur Schau gestellte neoliberale Haltung des Kandidaten in seiner eigenen Sicht der Dinge bestätigt fühlt und gerade darum dessen Beitrittswunsch wohlwollend in Erwägung zieht, verwundert nicht. Dass die Kommission aber genau die Entwicklung, die Südeuropa im ersten Jahrzehnt der EWU genommen hat und die heute rückblickend scharf kritisiert wird, geflissentlich übersieht, obwohl sie in Lettland wie in den beiden anderen baltischen Staaten weitgehend parallel, ja sogar noch potenziert auftritt, und dass sie entsprechend keine Warnsignale setzt, das zeugt von ideologischer Verblendung.

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Die FDP stellt Frankreich ein „verheerendes wirtschaftspolitisches Zeugnis aus“ und outet sich als Gegner des Freihandels

Es ist nicht zu fassen. Das deutsche Wirtschaftsministerium, bekanntlich geführt von einem Mediziner, der immer wieder durch vollkommenes wirtschaftliches Unwissen auffällt, stellt, so das Handelsblatt letzte Woche, Frankreich ein verheerendes wirtschaftspolitisches Zeugnis aus. Das ist in der Tat verheerend, aber anders als beim Ministerium gedacht.

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Und noch mal die Wettbewerbsfähigkeit

Die Bedeutung der Wettbewerbsfähigkeit für unser Land, die EWU und Europa bleibt ein spannendes und offenbar weiterhin noch wenig verstandenes Thema. Folgende Leserfrage erreichte uns:

„Was Sie fordern, ist doch nichts anderes, als dass Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit auf das Niveau der europäischen Südländer hinunternivelliert. Kann das wirklich die Lösung sein? Die Folgen wären nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze EU katastrophal. Was wäre die EU noch ohne Deutschland? Gleichzeitig beschwichtigen Sie, was das Thema China betrifft. Dabei wird es – oft dank staatlich gestützter Preise – in immer mehr Bereichen zum Weltmarktführer, auch gegenüber Deutschland.“

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Der DGB dreht durch

Jetzt brechen endlich Schlaraffenlandzeiten an: Der DGB erklärt, dass höhere Löhne keine Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und seine Exportchancen darstellten und deshalb ein höheres Lohnniveau hierzulande unproblematisch sei. Na, dann kann es ja an den gebratenen Tauben nicht mehr fehlen, die uns in den Mund fliegen, oder? Der DGB stützt seine Meinung auf die wissenschaftliche Arbeit einer Mitarbeiterin der Deutschen Bundesbank von 2008, die belegen soll, dass ein Prozent höhere Preise im Inland gegenüber dem Ausland nur ¼ Prozent weniger Exportnachfrage bedeute.

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Die Niederlande – ein Vorbild für Deutschland?

Erschienen in Wirtschaftsdienst, Mai 2002

Die Diskussion um die deutsche Lohnpolitik schlägt europäische Wellen. Der Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, gefragt, ob die Löhne in Deutschland nicht dem französischen Bei spiel folgen und etwas stärker steigen sollten, um mehr Binnennachfrage zu entfalten, nennt die hinter dieser Vorstellung stehende Idee „absurd“. Er verweist wie viele andere vor ihm auf die Niederlande, die heute die Früchte einer Lohnzurückhaltung in Form steigender Beschäftigung ernteten. Diese Legende ist zäh. Über Jahre ist in Deutschland der moderne Wirtschaftspolitiker nicht müde geworden, das Nachbarland als Vorbild für erfolgreiches Gürtel-enger-Schnallen und eine grundlegende Reform des Wohlfahrtsstaates zu preisen.

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