Der Euro kommt nach Lettland, das böse Erwachen folgt später

„Der Wunsch Lettlands zur Euro-Einführung ist ein Zeichen des Vertrauens in unsere gemeinsame Währung und ein weiterer Beweis dafür, dass diejenigen irrten, die den Zerfall der Euro-Zone vorhersagten.“, sagt Olli Rehn laut Spiegel. Und die FAZ jubelt: „Die Nachricht ist deswegen vergleichsweise schön, weil zum Jahresbeginn ein Land den Euro einführen wird, das nach einem scharfen Wirtschaftseinbruch als Folge der Finanzkrise ein erfolgreiches Gesundungsprogramm absolviert hat, das also ein Beispiel dafür ist, dass die Kombination von strenger Haushaltsdisziplin und Wirtschaftsreformen durchaus funktioniert.“

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Jugendarbeitslosigkeit in Europa – das ist der Gipfel

Die Arbeitslosigkeit grassiert unter jungen Menschen in Südeuropa wie eine schwere Grippeepidemie. Bundeskanzlerin Merkel beruft einen Gipfel nach Berlin ein, an dem neben europäischen Staats- und Regierungschefs auch Arbeits- und Sozialminister und Chefs von Arbeitsagenturen teilnehmen, also Leute, die von der Sache etwas im Detail verstehen. Heraus kommt die Bestätigung dessen, was ein paar Tage zuvor in Brüssel bereits beschlossen wurde (6 Milliarden Euro Hilfe der EU), und noch deutlich mehr Mittel aus bislang unausgeschöpften Töpfen der EU, um an der Jugendarbeitslosigkeit herumzudoktern. Die einen betonen, die Jugendarbeitslosigkeit könne nicht allein mit Geld bekämpft werden, es müsse auch um Strukturveränderungen etwa im (Aus-)Bildungswesen der Krisenstaaten gehen, die nun einmal nicht über Nacht positive Wirkungen mit sich brächten, sondern erst auf längere Sicht. Andere kritisieren, die vereinbarten Hilfen seien nur ein Tropfen auf den heißen Stein, es müssten wesentlich mehr Milliarden Euro her.

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Grundeinkommen – falsches Mittel aufgrund falscher Analyse

Niedrige Löhne, Unterbeschäftigung, Arbeitslosigkeit und in der Folge Altersarmut – all das sind Themen, mit denen sich Politiker in Wahlkampfzeiten besonders auseinandersetzen müssen. Vielen Menschen erscheint das Grundeinkommen eine diskussionswürdige Lösung für die genannten Probleme zu sein. In unserem Buch „Irrweg Grundeinkommen“ haben Heiner Flassbeck und ich zusammen mit Volker Meinhardt und Dieter Vesper dazu Stellung genommen. In Fortsetzung der Diskussion, ob und wie das Modell Marktwirtschaft überhaupt noch sinnvoll fortgeführt werden kann, hier ein Beitrag zum Thema Grundeinkommen, der die in unserem Buch ausführlich dargelegte Position zusammenfasst:

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Merkels Bumerang, oder: von Steuer- und Lohnoasen

Letzte Woche berichtete das Handelsblatt in seiner Dienstagsausgabe unter der sprachlich leicht misslungenen Überschrift „Merkel mahnt vor Bumerang“ (18.6.2013, Seite 10) über einen „Schwenk“ der Bundeskanzlerin in Sachen ‚Kampf gegen Steuervermeidung‘ nach „intensive[n] Gespräche[n] mit Unternehmern und Steuerexperten“. In dem Bericht heißt es, „zu laute Proteste gegen die steuerliche Praxis großer Technologieunternehmen wie Apple oder Google [könnten] zum Nachteil für deutsche Exporteure werden“. Was verbirgt sich hinter diesem Sinneswandel?

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Stationäre Ökonomie – eine Antwort auf Arbeitslosigkeit und Umweltzerstörung?

Letzte Woche habe ich in dem Beitrag „Marktwirtschaft – nein danke? Eine Standortbestimmung“ die Auffassung vertreten, dass es durch eine sinnvolle makroökonomische Steuerung in Verbindung mit einem geeigneten ordnungspolitischen Rahmen möglich ist, eine Marktwirtschaft so zu betreiben, dass Armut (bzw. Arbeitslosigkeit) und Umweltzerstörung überwunden werden können. Manche Wissenschaftler und einige interessierte Politiker und Bürger machen sich darüber Gedanken, ob nicht das Modell einer stationären Wirtschaft die richtige Antwort auf beide Problemfelder wäre: Die „Grenzen des Wachstums“ (Club of Rome, 1972) scheinen in der Endlichkeit unseres Planeten und seiner natürlichen Ressourcen völlig offensichtlich zu sein. Und wer Arbeitslosigkeit als Folge des permanenten Produktivitätsfortschritts ansieht, weil das Wachstum der Wirtschaft (ob aus ökologischen oder welchen Gründen auch immer) nicht mit ihm Schritt halten kann, gewinnt leicht den Eindruck, mit dem Modell einer stationären Wirtschaft den Stein der Weisen gefunden zu haben.

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Der Zins, die Schulden und die Geldpolitik – Teil III: Warum greift die Zinspolitik der EZB nicht?

Im ersten Teil und im zweiten Teil dieser Serie wurde die Politik des billigen Geldes der Europäische Zentralbank (EZB) gegen die Kritik verteidigt, sie sei falsch und schädige die Sparer. Zugleich wurde ihre offensichtliche, aktuelle Wirkungslosigkeit konstatiert – den kleinen und mittelständischen Unternehmen in Südeuropa leihen die Banken trotzdem kein Geld zu entsprechend niedrigen Zinsen, und die Investitionstätigkeit in der Eurozone ist auf dem Rückzug. Ist dann meine Position nicht ein Widerspruch in sich? Wenn die Zinssenkung für die Konjunktur zumindest derzeit nichts bringt und die Sparer mit Niedrigstzinsen vorlieb nehmen müssen, dann hätte diese geldpolitische Maßnahme doch besser unterbleiben sollen, oder? Neben der ungünstigen Situation für Sparer heute wird von Kritikern der Geldpolitik betont, das billige Geld stelle eine Gefahr für die Geldwertstabilität von morgen oder übermorgen dar. Insbesondere heize es die Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern, Edelmetallen und anderen Rohstoffen sowie Wohnungseigentum an und führe so zu Preissteigerungen auf den entsprechenden Märkten, die sich über kurz oder lang auch auf anderen Märkten bemerkbar machten. Z.B. mündeten stark steigende Immobilienpreise hierzulande irgendwann in stark steigende Mieten. Ziehen die Rohstoffpreise an, wirke sich das letzten Endes auch auf die Preise der Güter aus, zu deren Herstellung die Rohstoffe benötigt werden. Die Zeche zahle in jedem Fall der Verbraucher (und der Sparer), wenn schon nicht heute, dann doch ganz sicher in der Zukunft.

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Marktwirtschaft – nein danke? Eine Standortbestimmung

Schwere Wirtschaftskrise in Südeuropa mit Millionen Arbeitslosen, die deutsche Konjunktur nur noch im Vergleich dazu „rosig“, in Wirklichkeit an der Schwelle zur Rezession, und jetzt auch noch das Hochwasser – manch einer fragt sich, ob das nicht alles irgendwie zusammenhängt unter der großen Überschrift „Die Marktwirtschaft fährt gegen die Wand“. Denn ist die Zerstörung oder zumindest Übernutzung der natürlichen Ressourcen unseres Planeten nicht eine direkte Folge der Marktwirtschaft bzw. des Kapitalismus, wie Kritiker unser Wirtschaftssystem bezeichnen? Kommen hierzulande nun Teile des Wassers an, das die auch von uns ausgestoßenen Treibhausgase von eisiger Kristallform in Flüssigform mit verwandelt haben? Und zeigt nicht gerade die wachsende Arbeitslosigkeit, dass die Produktivitätsgewinne, auf die der Kapitalismus so stolz ist, letzten Endes zur Verelendung von immer mehr Menschen führen, denen (obendrein CO 2 ausstoßende) Maschinen die Arbeitsmöglichkeiten genommen haben? Und hören wir nicht ab und zu (z.B. auch auf dieser Web-Seite), dass es um eine Absatz- bzw. Nachfragekrise geht? Heißt das nicht, dass wir all das, was wir herstellen, gar nicht verbrauchen können? Und gehört diese „Überproduktion“ und „Unterkonsumption“ nicht zum Wesen des Kapitalismus, der die einen ausbeutet, während die anderen nicht wissen, wohin mit ihrem Reichtum? Hier scheint ein Irrsinn in den anderen zu greifen: Zu viel produziert von zu wenigen, zu wenig konsumiert von zu vielen, zu viel Ressourcenverbrauch und zu wenig Umweltschutz.

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Der Zins, die Schulden und die Geldpolitik – Teil II: Sind die Sparer Opfer der Krisenpolitik der EZB?

Im Beitrag „Was bedeutet der Zinsschritt der EZB?“ vom 22. Mai ging es um die Frage, welches Signal von der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) Anfang Mai, den Leitzins auf ein weiteres historisches Tief zu senken, ausgeht. Heute will ich einen anderen Aspekt des derzeitigen geldpolitischen Kurses aufgreifen, der in den deutschen Medien eine Rolle spielt: den negativen Realzins.

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Der Zins, die Schulden und die Geldpolitik – Teil I: Was bedeutet der Zinsschritt der EZB?

Am 2. Mai traf die Europäische Zentralbank (EZB) die Entscheidung, den Leitzins von seinem historisch niedrigen Niveau von 0,75% um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 0,50% zu senken mit dem Ziel, „zur Unterstützung der Aussichten für eine Erholung [der Wirtschaft im Euroraum] im weiteren Verlauf des Jahres beizutragen“ (hier und im folgenden meine Übersetzung des englischen Originaltextes). Das klingt äußerst zurückhaltend, was die Erwartungen an die Wirkung der Zinssenkung auf die Konjunktur angeht, womit die Zentralbanker nur allzu recht haben dürften: Der Effekt der Zinssenkung auf die Sachinvestitionstätigkeit dürfte in der gegenwärtigen Situation gegen Null gehen.

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Talkshow zu „Hungerlohn am Fließband“

Ein Reporter heuert „under cover“ bei einer Leiharbeitsfirma an. Die leiht ihn einer Speditionsfirma aus. Diese Speditionsfirma lässt den Mann im Rahmen eines Werkvertrags bei einem bekannten Autokonzern arbeiten. Dort geht der Mann einer Beschäftigung nach, die identisch ist mit der von Mitarbeitern der Stammbelegschaft des Konzerns, mit denen er Hand in Hand arbeitet. Mit dem Unterschied, dass er nur ein Drittel dessen verdient, was die „Kollegen“ bekommen. Von den so netto erzielten 990 Euro kann er selbst nicht, geschweige denn seine Familie leben, weshalb ihm laut Jobcenter ein staatlicher Zuschuss von mehr als 1500 Euro zusteht.

So weit, so schlecht. In der an den Film des SWR in der ARD (13. Mai 2013 um 20.15 Uhr) anschließenden Talkshow unterhalten sich fünf Gäste mit dem Moderator über diesen Skandal, wobei der Vertreter der Arbeitgeberseite und ein FDP-Mitglied den geschilderten Sachverhalt als missbräuchlichen Einzelfall einstufen und die übrigen Teilnehmer der Runde mit Fragen nach gering bezahlten Werkverträgen in ihren Bereichen (Rundfunk, Kirche, Lehrer in NRW, Gewerkschaften) in die Enge zu treiben versuchen. Der Vorsitzende des Rates der EKD, Nikolaus Schneider, angesprochen auf Stundenlöhne von 5,99 Euro in einem evangelischen Krankenhaus, schildert den Druck, unter dem kirchliche Träger von Sozialeinrichtungen stehen, so: Diesen Einrichtungen diktiere der Markt für Pflegedienstleistungen die Preise und daraus ergebe sich das Dilemma: Man wolle die eigenen Angestellten anständig bezahlen. Aber man müsse, obwohl man nicht einmal gewinnorientiert arbeite, sondern mit einer schwarzen Null zufrieden sei, mit dem Markt mithalten, wenn man nicht als Anbieter pleite gehen und aus dem Markt ausscheiden wolle. Was also tun?

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