Lob für die deutschen Unternehmen

Die jüngsten Daten des Statistischen Bundesamts zur Entwicklung der Preise zeigen, dass die Verarbeitung der extremen Energie- und Rohstoffpreisschübe aus den vergangenen zwei Jahren in vollem Gange ist (Abbildung 1). So historisch einmalig steil, wie die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte in der Energiekrise nach oben schossen, so steil fallen sie nun auch wieder ab (die rote Linie in der Abbildung 1).

Abbildung 1

Um die Anpassungsleistung der Masse der kleinen und mittleren Unternehmen, die hinter diesen Zahlen steckt, angemessen würdigen zu können, muss man immer wieder betonen, dass sie den ursprünglichen Anlass für die Preisschübe nicht zu verantworten haben. Sie sahen sich innerhalb kürzester Zeit mit einer Verteuerung ihrer direkt importierten oder indirekt vom Ausland bezogenen Vorleistungen konfrontiert, die es in dieser Dimension zuvor noch nie gegeben hat.

Die europäischen Regierungen und die EU-Kommission haben sich für Sanktionen gegen Russland entschieden. Ganz egal, wie man dazu politisch steht und wie kritisch man die Diskrepanz zwischen beabsichtigten und tatsächlichen Folgen einschätzt, muss man feststellen, dass die Entwicklung der Verbraucherpreise im Vergleich zu der der Erzeugerpreise geradezu moderat ausgefallen ist.

Schon in früheren Phasen stärkerer Preissteigerungen auf der Erzeugerebene haben die Verbraucherpreise insgesamt immer verzögert und gedämpft reagiert – das lässt sich anhand der Abweichungen zwischen der roten und der blauen Linie in der Abbildung leicht erkennen. Dass die Verbraucherpreise die extreme Entwicklung der letzten zwei Jahre ähnlich verzögert und erheblich gedämpft übernommen haben, ist ebenso offensichtlich.

Diese Entwicklung ist der Masse der Unternehmen zu danken, die sich auf keine Kartell- oder gar Monopolpositionen stützen können und daher offenbar versucht haben, ihre Kunden nicht durch sofortige Weitergabe ihrer Kostensteigerungen zu verschrecken. Stattdessen haben sie einen Weg des Sich-Herantastens an die Zahlungsbereitschaft ihrer Kunden gewählt und entsprechende Gewinneinbußen in Kauf genommen.

Dass es im Nachgang der starken Kostenbelastung der Masse der Unternehmen nun nicht zu einer massiven Senkung der Preise auf der Erzeugerebene ohne den Energiebereich (die rote Linie in Abbildung 2) und einer sofortigen Beruhigung auf der Verbraucherebene (die blaue Linie in Abbildung 1) kommt, ist kein Wunder. Warum die europäische Geldpolitik so wenig Geduld aufbringt, die unumgängliche Verteilung des Realeinkommensverlustes gegenüber dem Ausland, aus dem wir (fossile) Rohstoffe beziehen, abzuwarten, ist für jeden, der sich mit diesen Daten beschäftigt, unverständlich.

Abbildung 2

Auf dem wirtschaftspolitisch so drängenden Gebiet der Einschränkung der Finanzmarktakteure, die mit Spekulationen extreme Preisentwicklungen anheizen und von ihnen profitieren, hört man hingegen nichts. Auch um die Frage, welche Monopol- und Kartellstrukturen in der Unternehmenswelt insbesondere im Bereich der Energiemärkte und im Lebensmittelhandel vorliegen und wie sie kontrolliert oder reduziert werden könnten, ist es still geworden.

Dass das Preisniveau in der Gesamtwirtschaft von vor der Krise nicht mehr erreicht werden, sondern insgesamt höher bleiben wird, ist sehr wahrscheinlich. Eine deflationäre Entwicklung auf breiter Front wäre auch alles andere als hilfreich für die wirtschaftliche Entwicklung. Dafür sind die strukturellen Änderungen, die sich bereits ergeben haben und weiter ergeben müssen, damit die Anpassung an den Klimawandel und geänderte geopolitische Rahmenbedingungen weiter vorangeht, einfach zu groß und zu wichtig.

Nahrungsmittel haben preislich gesehen einen höheren Stellenwert bekommen und werden das wohl weiterhin. Das ist wegen der Verschlechterung der landwirtschaftlichen Anbaubedingungen in vielen Teilen der Welt richtig, muss aber durch eine Stauchung der Einkommensstruktur sozial nicht nur kurzfristig, sondern dauerhaft weiter abgefedert werden – hierzulande wie anderswo. Wie sich die Preise anderer Rohstoffe langfristig entwickeln werden, hängt stark von dem Bedarf ab, den der Umbau der Produktionsweise Richtung CO2-Neutralität und die Veränderung im Verbraucherverhalten mit sich bringen.

Ob Energie auf lange Sicht relativ preiswerter werden und bleiben wird, ist eine Frage von Umfang und Tempo des Strukturwandels. Wird er von der Politik behindert – sei es durch hohe Leitzinsen, zu geringe öffentliche Investitionen oder politisches Hin und Her bei der Festlegung der Rahmenbedingungen für die Privatwirtschaft –, dauert es länger. Dies ist für die Masse der Bevölkerung der ungünstigste Weg – darüber können alle Versuche nicht hinwegtäuschen, den „Kleinsparer“ oder die von den Preisschüben gebeutelten Geringverdiener für die verfehlte Geldpolitik zu instrumentalisieren und die weit verbreitete Angst vor überbordenden öffentlichen Schulden zur Rechtfertigung einer nicht zukunftsorientierten und/oder unsozialen Fiskalpolitik zu nutzen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Vertreter des unternehmerischen Mittelstands die Politik ins Gebet nehmen – und zwar nicht mit Abwanderungsdrohungen, sondern mit sachlicher Aufklärung. Denn wohin wollten sie abwandern? In von Überschwemmungen, Wirbelstürmen und Waldbränden noch stärker bedrohte Länder, deren Bevölkerung auch keine Massen an gut ausgebildeten, aber arbeitslosen Fachkräften hat?

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Ein Gedanke zu „Lob für die deutschen Unternehmen“

  1. Sehr geehrte Frau Spieker, die Drohung mit Abwanderung ist besonders fragwürdig, insbesondere Kalifornien hat in der Öffentlichkeit in dieser Sicht Drohpotential. Wie erwähnt Waldbrände, aber auch St. Andreas Verwerfung u sogenannte „atmosphärische Flüsse“. D.h. eine besonders starke Ausprägung des Hawai Express, der Kalifornien die Winterregen bringt. 1861 gab es 40 Tage Daueregen mit der Folge von monatelanger Überflutung des Valley. ( Spektr.d. Wissenschaft) Damals war der Pazifik kalt, verglichen mit heute!! Man kann Firmen unbedingt empfehlen in die USA zu gehen, schon wg. Trump….
    Mit freundlichen Grüssen
    Manfred Peters

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